Bonjour,
Am 29.8. sind die grossen Ferien ja offiziell vorüber, zumindest in NRW, und damit ihr nicht allzu schnell in das nächste Sinnkrisenloch fallt, führen wir unsere Kunstmission nach Dieter Brauns „Homecoming“ unermüdlich fort. Auch Suse Wolff war bereits in früheren, in zivilisierteren Zeiten bei uns zu Gast, im Oktober 2019 um präzise zu sein, damals präsentierte sie gemeinsam mit Jachya Freeth die „Schichtarbeit“, eine Verflechtung von Graffiti und Collage mit Malerei und Zeichnung, von Gegenwärtigem mit Vergangenem, von Außen- und Innenwelten, Wort und Bild. Und auch damals genossen wir schon den Luxus, im Vorfeld einen hervorragenden Originaltext von den Künstlern zu erhalten, den wir quasi komplett und ohne jegliche Eigenleistung übernehmen konnten.
Nun begrüssen wir Suse Wolff mit einer Solo-Show und auch dieses Mal liefert sie prosaisch wieder ab - lest also im Folgenden ihre Eingabe zur nahenden Eröffnung von „Alles muss man selber machen lassen“ - bitteschön:
„Dass die Welt komplex ist und alles irgendwie miteinander zusammenhängt, ist eine Binse. Dass es schwer ist, den Überblick zu behalten oder gar einen Sinn darin zu finden, ist auch eine. Künstler*innen seien Sinnsuchende und Kunst sinnstiftend oder so ähnlich, las ich mal. (Binsen Nr. 3 und 4?)
Sinnsuche, nee, das geht mir zu weit. Genug Analyse – zur Synthese! Mir genügt schon, wenn ich bei der Schnipselsuche, beim Kleben, Übermalen, Zeichnen und wieder Überkleben gelegentlich eine 3-D-Ansicht meines sehr subjektiven Weltbilds, meines eigenen Gedankennetzes zu sehen bekomme … Während ich Assoziationsketten hinterher hechle, in Sackgassen kehrtmache, Kausalketten entdecke, verwerfe, kappe und verbinde, gelegentlich durch zwei zufällig nebeneinander liegende Schnipsel gänzlich neue Zusammenhänge entdecke und mir noch ein Textfragment in den Kopf kommt, das perfekt dazu passt, wird's manchmal ein Flow, ein Fluss, ich lass mich treiben und gucke, was und wer am Ufer rumsteht – schön. Und (fast) noch besser, wenn dann Betrachter*innen völlig andere Ideen zu meinen „fertigen“ Werken kommen, als mir je zufließen könnten.
Die in den letzten drei, vier Jahren entstandenen Bilder knüpfen zum Teil an die Gemeinschaftsarbeiten mit Jachya Freeth an, die 2019 bei JesusChris zu sehen waren. Einige Motive aus diesen Collagen habe ich gemalt und weitergesponnen. Anders recycelt wurden ein paar kleine, etwa 20 Jahre alte spontane Malereien, die ich mit Material aus meinen sieben Schnipselkisten neu bearbeitet habe. Die meisten Arbeiten entstanden diesmal auf Keilrahmen mit Baumwollgewebe, alten und neuen. Neben Kleister und Leim kamen Acrylfarbe, Kreide, Kohle, Sprühlack und verschiedene Stifte zum Einsatz. Außerdem hat eine befreundete Fotografin, Anja Steinmann, mir einige ältere, großformatige Bilder überlassen – hochästhetische Baustellenfotos, edel unter Plexi oder auf Alu-Dibond –, zur Bearbeitung nach meinem Belieben. Danke, Anja! (Und danke, Deichkind, für den Titel.)
Lange vor mir bedienten sich Künstler*innen im Kubismus, Dadaismus, Surrealismus der Collage, Popart und Fluxus griffen die Technik auf. Es ging immer schon um Aneignung, Übertragung, Umwidmung, auch genussvolle Zerstörung fremden Materials. Punkästhetik, Rapmethode – es führt ein Wort, ein Bild- oder Sound-Schnipsel zum nächsten. Die Formen variieren, das Vorgehen bleibt gleich: Gedachtes, Erlebtes und (buchstäblich) Erlesenes verbinden sich mit Zufallsfunden, Privates mit Politischem. Es finden sich Fetzen von Kunst verschiedenster Epochen, Zeitungsausrisse, Romanzitate, Beipackzettel, Teile von Comics und Filmplakaten, Heiligenbildern und Vielliebchen, Streifen von Isolierband, gestempelte Kommentare, Raster, Stencils. Sichtbar wird ein Netz aus kommunizierenden Teilchen: gegenwärtige mit historischen, Außen- mit Innenwelt, Wort mit Bild. Dürer meets Rauschenberg meets Kellerclub. Popart? Dada?
Jedenfalls Handarbeit – von Suse Wolff (alias l.e.kat), Collagistin/Malerin/Kommunikationsdesignerin aus Essen.“
Vielen Dank für die impulsiven und in den Kopf geschriebenen Worte - dem ist definitiv nichts hinzuzufügen. Wir freuen uns im Übrigen auf eine waschechte Laudatorin (Premiere für uns), auf eine grossartige Ausstellung und natürlich auf euch. Kommt reichlich und wohl gestimmt. Die Urlaubs-/Ferienausrede zieht übrigens nicht mehr. :-)
Suse, Lena, Jesus & Chris
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